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Johann Simon Genten, Aachen
9. Oktober 2014

Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit: Zur Rolle eines Vorschadens

Bei Arbeitsunfällen oder auch Berufskrankheiten gibt es immer wieder das Problem, ob und wie Vorschäden zu berücksichtigen sind. Die Unfallversicherungsträger und deren Gutachter sind hier oft recht restriktiv, sodass solche Schäden oft zu einem Leistungsausschluss führen. Man spricht dann u.a. von einer „Gelegenheitsursache“.
In einem durch das Hessische Landessozialgericht entschiedenen Fall hatte ein Arbeiter, der unter Bluthochdruck litt, im Rahmen einer Begehung einen 95 kg schweren Kanaldeckel bewegt. Danach war ihm schlecht geworden und ermußte ins Krankenhaus. Ein Schlaganfall wurde diagnostiziert, es verblieb eine halbseitige Lähmung. Aufgrund der erheblichen Schäden hätte die BG nun eine Rente nach einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 40% zahlen müssen. Doch diese weigerte sich: Es habe sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt. Auch bei anderen Tätigkeiten in der Freizeit hätte der Schlaganfall auftreten können.
Dies sah das LSG anders (Aktenzeichen: L 3 U 158/10). Der anlagebedingte Faktor (hier der Bluthochdruck) war im vorliegenden Fall keine allein wesentliche Ursache für den Schlaganfall. Deshalb komme dem Ereignis auch nicht nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu. Das Vorliegen einer Schadensanlage allein reiche nicht aus, um den rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhang zwischen einer beruflich bedingten Einwirkung und dem Eintritt eines Gesundheitsschadens zu verneinen. Denn der Versicherte ist in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Aufnahme der versicherten Tätigkeit befindet, auch wenn aus diesem Zustand eine größere Gefährdung resultiert (BSG, SozR 4-2700, § 8 Nr. 17 – Urteil vom 9. Mai 2006). Sind für einen Gesundheitsschaden neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne als ursächlich anzusehen, war die versicherte Ursache demnach dann wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Die Richter zitieren dann aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes:„Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer Art, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkung bedürfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine sogenannte Gelegenheitsursache“ ( BSG vom 12. April 2005 – Az.: B 2 U 27/04 R – in juris).
Sie sehen: Das Ganze ist hochkompliziert, aber auch spannend ! Und,- leider geht es oft nicht ohne fachmännische Hilfe und ohne Kampf!