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Johann Simon Genten, Aachen
27. April 2015

Bundessozialgericht: Ernährungsberater ist nicht Lehrer und damit nicht versicherungspflichtig

Immer wieder gibt es Streit um die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit als lehrend zu verstehen ist und damit den Tatbestand einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auslöst.
Das BSG hat diese Frage nun im Falle eines Ernährungsberaters verneint. Der Pressemitteilung ist auch zu entnehmen, dass das BSG die Rentenversicherung scharf kritisiert, da diese offensichtlich im Rahmen der "Massenverwaltung" keine gründliche individuelle Prüfung des Einzelfalles vornimmt.
Der Kläger hatte individuelle Ernährungsberatung angeboten und sich mit der "Beratung von Patienten" nicht als Lehrer iS von § 2 Nr 1 SGB VI betätigt, so das BSG. Wörtlich wird in der aktuellen Pressemitteilung ausgeführt:
„Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung unterwirft Erwerbstätigkeiten nur teilweise der Versicherungspflicht. Während dies in den Fällen der abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt wie auch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich der Fall ist, beschränkt sich bei Selbstständigen der zwangsweise Eingriff in deren Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) auf wenige, im Gesetz abschließend aufgeführte Gruppen. Schon deshalb bedarf es ungeachtet der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers zur bestimmungsgemäßen Anwendung der öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen in § 2 SGB VI jeweils deren Abgrenzung von nicht mit der Rechtsfolge Versicherungspflicht verbundenen Tatbeständen und in jedem Einzelfall einer konkreten Feststellung eines nach der selektiven Vorgehensweise des Gesetzes Versicherungspflicht begründenden Sachverhalts. Insofern kann die Beklagte von vorne herein nicht mit dem Einwand gehört werden, bei ihr handele es sich um eine "Massenverwaltung" mit der Folge, dass die Tätigkeit als Lehrer jede Vermittlung von Kenntnissen und Kompetenzen umfasse.
Hinsichtlich der Versicherungspflicht von Lehrern in der gesetzlichen Rentenversicherung ist durch die oberstgerichtliche Rechtsprechung geklärt, dass deren Tätigkeit grundsätzlich jede Anleitung zu einem gemeinsamen Tun umfasst. Die erstrebte "Gemeinsamkeit" entsteht dabei aus der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug. Demgegenüber basiert zwar auch der Vorgang der Beratung auf einer vorhandenen Wissens- und Kompetenzdifferenz, doch liegt hier der Schwerpunkt des entsprechenden Tuns auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck. Wo sich beide Bereiche überlagern, müssen sie nach ihrem sachlichen Schwerpunkt getrennt werden. Im Blick hierauf haben das SG und das LSG die vom Kläger durchgeführte "Einzelberatung von Patienten" zutreffend nicht als Lehrtätigkeit beur-teilt. Nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des Berufungsgerichts steht hier nicht der Ausgleich von Wissens- und Kompetenzdifferenzen für sich im Vordergrund, sondern die Vorbereitung individueller Entscheidungen und Verhaltensänderungen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass zu diesem anwendungsbezogenen Zweck auch abstraktes Wissen vermittelt wird und sich der Kläger pädagogischer Methoden wie des sokratischen Gesprächs bedient. Ebenso ist unerheblich, ob das jeweils zu lösende Problem Krankheitswert besitzt.
SG Frankfurt am Main - S 24 KR 27/10 -
Hessisches LSG - L 8 KR 154/13 -
Bundessozialgericht - B 5 RE 23/14 R -
Quintessenz: Keinesfalls kann nun aus dem Urteil herausgelesen werden, dass ERnährungsberater grundsätzlich keine lehrende Tätigkeit ausüben. Sofern etwa Kurse an der VHS gegeben werden, kann wiederum eine lehrende Tätigkeit vorliegen. Jeder Einzelfall ist zu prüfen. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass Versicherungspflicht keineswegs immer zu Nachteilen führen muss, sondern durchaus auch Zugang zu dem Leistungsspektrum der Rentenversicherung eröffnen kann.
Rentenberater wissen um Gestaltungsmöglichkeiten.