professionell...unabhängig...engagiert
Johann Simon Genten, Aachen
4. Januar 2012

Erwerbsminderungrente: BSG bestätigt Notwendigkeit der Benennung einer konkreten Tätigkeit bei Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder schwerer spezifischer Leistungsbehinderungen

Das BSG hatte in ständiger Rechtssprechung festgelegt, dass bei Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung sich die Frage stellte, ob ohne weiteres davon ausgegangen werden konnte, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist, oder ob ernstliche Zweifel daran aufkommen mussten, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einen Betrieb einsetzbar ist.
Sind solche Zweifel aufgekommen, war eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Konnte keine Verweisungstätigkeit gefunden werden, waren sie, da keine Tätigkeit mehr möglich war - nicht nur berufsunfähig, sondern zwangsläufig erwerbsunfähig.
Das Landessozialgericht Thüringen hatte nun die Auffassung vertreten, dass durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit 20.12.2000 die Summierungsrechtsprechung noch eine Grundlage habe. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei daher keinem Versicherten mehr zu benennen (Thüringer LSG, AZ 3 R 365/08 ).
Dieser recht restriktiven Auffassung hat das BSG widersprochen (Bundessozialgericht, B 13 R 78/09 R ).

Hiernach gilt die bisherige Rechtssprechung weiter. Das LSG wurde im Rahmen der Zurückverweisung aufgefordert, Feststellungen zu treffen, ob beim Kläger eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegen. Ist dies der Fall, kann nur durch Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit festgestellt werden, ob der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann. Eine solche Prüfung verlangt § 43 Abs 1 und 2 SGB VI auch in der seit 2001 geltenden Fassung.
Als schwere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, die die Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit erforderlich machen, sind von der Rechtsprechung des BSG bisher z.B. besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, die Erforderlichkeit, in Verbindung mit anderen Einschränkungen zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen, Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen, regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe und ggf. Umständen auch Einarmigkeit und Einäugigkeit angesehen worden. Dies sind aber nur einzelne Beispiele. Im Grunde ist jeder Einzelfall gesondert und seperat mit aller Gründlichket zu betrachten.