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Johann Simon Genten, Aachen
22. März 2012

Psychiatrische Gutachten: Beauftragter Gutachter darf nicht deligieren

In Streitigkeiten um eine Unfallrente oder eine Erwerbsminderungsrente werden sehr oft Gutachten eingeholt. Die Qualität vieler Gutachten läßt zu wünschen übrig. Die Gründe sind vielfältig. Fakt ist, dass oft nicht der beauftragte Gutachter, sondern andere das Gutachten erstellt haben. Das Gutachten trägt dann zwei oder sogar drei Unterschriften. Oft greife ich derartige Gutachten erfolgreich an, denn das Bundessozialgereicht (BSG) hat sich schon mehrfach mit der Problematik befasst.
Gerade bei psychiatrischen Begutachtungen hat im Grunde  ausschließlich der benannte Gutachter und keine anderen Gutachter das Gutachten zu fertigen. 
Hier ein Beschluss des BSG:

Orientierungssatz

    1. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit anderer Personen bei der Erstellung des Gutachtens durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen ist dann mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prä-genden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert (vgl BSG vom 30.1.2006 - B 2 U 358/05 B = UV-Recht Aktuell 2006, 161). (Rn.5)
    2. Soweit sich jedoch nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Bei einer psychiatrischen Begutachtung ist aber wegen der Besonderhei-ten dieses Fachgebiets die persönliche Begegnung des Sachverständi-gen mit dem Probanden unter Einschluss eines explorierenden Gesprächs als unverzichtbar für die eigene verantwortliche Urteilsbildung anzusehen (vgl BSG vom 17.11.2006 - B 2 U 58/05 B = SozR 4-1750 § 407a Nr 3 RdNr 4). (Rn.5)

BSG 2. Senat v. 18.11.2008, Aktenzeichen: B 2 U 101/08 B