professionell...unabhängig...engagiert
Johann Simon Genten, Aachen
17. Mai 2013

Schwerbehinderung: 20 + 20= 20 !?

Wegen der zunehmenden Bedeutung einer Schwerbehinderung von mindestens 50% als Zugangsmöglichkeit für die entsprechende Altersrente häufen sich auch bei mir die Anfragen Ratsuchender und entsprechende Verfahren. Auch in einer Schwerbehindertenangelegenheit ist eine aktive, engagierte Rechtsvertretung wichtig, die z.B. medizinische Fakten gewinnbringend einordnen und verwerten kann. Mit- und Querdenken ist gefragt !
Oft muss ich mich oft mit der gängigen Meinung auseinandersetzen, festgestellte Einzelbehinderungsgrade müssten doch addiert werden. Dem ist nicht so ! Für die Bildung des Gesamt-GdB gibt es keine Regel, die zu einer Addition, etwa von 30 + 20= 50 führt.
Die Rechtssprechung, wie auch die „Versorgungsmedizin-Verordnung“ ist in dieser Beziehung eindeutig. Das LSG NRW hat kürzlich wieder bestätigt, dass es keinen Erfahrungssatz und auch keine rechnerische oder logische Regel gibt, die verlangen würde, alle etwa mit einem Einzel-GdB von 20 bewerteten Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der Bildung des Gesamt-GdB stets erhöhend zu berücksichtigen. Und zwar auch dann nicht, wenn  sie sich nicht überschneiden oder decken. Es gilt also nach wie vor der Grundsatz einer individuellen Betrachtung unter Anwendung der in den Versorgungsmedizi-nischen Grundsätzen festgehaltenen Regeln. Hiernach können sich bei Zusammenwirken verschiedener Gesundheitsstörungen einzelne Störungen durchaus stärker auswirken, etwa wenn beide Beine in Ihrer Funktion betroffen sind und somit Kompensationsmöglichkeiten nicht vorhanden sind. Das LSG Brandenburg hat dies z.B. auch in einem Einzelfall so gesehen. Wörtlich heißt es: "Dies führt vorliegend dazu, dass ausgehend von dem führenden Leiden – der Depression mit einem GdB von 30 – noch weitere 20 hinzuzufügen sind, und zwar aufgrund des Asthma bronchiale und aufgrund der schlafbezogenen Atmungsregulationsstörung, die jeweils den GdB um 10 erhöhen. Dies folgt insbesondere daraus, dass die hierbei beschriebenen verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sich wechselseitig aufeinander bezogen besonders nachteilig auswirken. Denn die schlafbezogene Atmungsregulationsstörung verhindert die erholsame Wirkung des Schlafes für den Kläger, was sich wiederum nachteilig und verstärkend auf das Hauptleiden der Depression auswirkt. Umgekehrt wirkt sich das Asthma bronchiale vor allem tagsüber aus und verstärkt auf diese Weise ebenfalls die beeinträchtigende Wirkung der schlafbezogenen Atmungsregulationsstörung wie auch der Depression"( Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 81/12 - Urteil vom 23.08.2012, https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=155364&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=).
Genauso ist es aber möglich, dass sich das Maß der Behinderung insgesamt nicht vergrößert, etwa wenn die Auswirkungen der Behinderungen sich überschneiden(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 13 SB 127/11 - Urteil vom 29.06.2012, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsg_nrw/j2012/L_13_SB_127_11urteil20120629.html).
Fazit: Nur eine engagierte Rechtsvertretung, die auch medizinisch mitdenkt und auch gutachterliche Feststellungen kritisch hinterfragt, kann zum Erfolg führen!